Penthesilia am Deutschen Theater Berlin…

Au Deutsches Theater 2024

Deutsches Theater 2024

…Bei Nino Haratischwili gibt es Penthesilea zwei Mal. Almut Zilcher ist die weise, melancholische Penthesilea, die in allen Zeitebenen zu Hause ist. Sie weiß, was war und weiß, was werden wird. Und so schaut sie auf ihr Alter Ego, das nur in der Gegenwart lebt, mit einem Blick, der Ironie und Empathie vereint. In den ersten Minuten ist die zeitlose Penthesilea allein auf der Bühne der Kammerspiele des Deutschen Theaters Berlin. Almut Zilcher kauert auf dem Boden. Um sie herum weiße Stoffbahnen, die an Flügel erinnern.

Wie ein gefallener Engel wirkt sie, richtet sich auf und geht in medias res: „Sie werden gleich hier sein, dann soll ich mich in Hass üben, den ich doch längst verlernt habe.“ Ihre Kriegerinnen werden von ihr den Sieg gegen den Griechen Achill einfordern. Denn neun Jahre tobt der Krieg bereits um Troja, die Amazonen haben sich in ihn hineinziehen lassen. Aber Feldherr und Feldherrin begehren sich jetzt und nennen es Liebe. „Unser Blut wenigstens darf sich vereinen. Töte mich. Oder ich töte dich“, endet Zilcher den Auftaktmonolog. Autorin Haratischwili führt das animalische Begehren der beiden in ein gegenseitiges Abschlachten über. Eine neue Variante im Penthesilea-Achill-Komplex: Im antiken Mythos mordet Achill die Amazonenkönigin, bei Kleist ist es umgekehrt. Haratischwili plädiert für Tod und Unentschieden.

Bei „Penthesilea: Ein Requiem“ dauert es zwei Stunden bis zum Doppelmord. Die Gunst der Zuschauer wandert zwischen den Figuren hin und her. Manuel Harders Achill gibt sich kriegsmüde, seine Herrschergesten unterlegt er mit Ironie. Seine Alphatier-Coolness wird dadurch nicht geschmälert. Das weiß er. Eka Nizharadzes Gegenwarts-Penthesilea hält die Pose der Kriegerin lange durch, schaut wahnsinnig streng und knickt dann ein. Nino Haratischwili hat ein zweisprachiges Stück geschrieben. Die deutsche und die georgische Sprachmelodie treffen aufeinander und laden sich gegenseitig auf. Ein sinnlicher Hinweis, dass die beiden Hauptfiguren aus ganz unterschiedlichen kulturellen Kontexten kommen. Als Nebenfigur wird Thersites, Achills Diener, eingeführt und bekommt den wichtigsten Monolog im ganzen Stück: eine Abrechnung mit dem selbstbezogenen, verantwortungslosen und unmenschlichen Verhalten seines Chefs. Tote über Tote sind das Resultat. DT-Neuzugang Jens Koch steht an der Rampe und spricht gegen seinen Heerführer an, der ihn mit Schlägen mundtot machen will und letztendlich ersäuft. Kochs Thersites kann seine Würde nicht verlieren, denn er hat sie sich schwer errungen. Das ist die Schwingung, die im Saal ankommt.

Wecker-Ticken kündigt den Countdown an, Trommelwirbel ertönt, und dann werden vom Schnürboden dehnbare Bänder heruntergelassen. Regisseurin Haratischwili macht Harder und Nizharadze zu schwingenden Marionetten. In den Bändern hängend spielen sie fast schwerelos Begehren und Zerstörung. Minuten vorher stehen beide hinter fahrbaren Glaswänden. Sie verwischen so die Trennung zwischen Realität und Fiktion, erzählen von Illusion und erinnern

gleichzeitig an Projektion. (Bühne: Julia B. Nowikowa) Zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffskriegs in der Ukraine geht einen Penthesilea anders an als vor gut zwei Jahren. Haratischwilis energiegeladener Text fordert auf, sich zu den Figuren zu verhalten. Und er schafft es, Fragen neu zu stellen, dadurch, dass er die Figuren in ihrer ganzen Ambivalenz zulässt. Am Schluss ist Almut Zilchers Über-Ich-Penthesilea wieder alleine auf der Bühne und stellt fest: „Die Toten werden zu Schatten. Und wir nehmen ihre Plätze ein.“

Katja Kollmann, Kulturjournalistin, TAZ 26.2.24

La fille de Mars

Freie Bearbeitung von Penthesilea von H. von Kleist

Festival d’Avignon 2017

Festival d'Avignon 2017

Photo : Jean-Pierre Estournet

Eine Frau erscheint. Sie scheint aus dem Stoff der Wände, die sie umgeben, hervorzugehen. Sie scheint aus demselben Material erschaffen zu sein, wie die Mauern, die sie umgeben. Sie ist Penthesilea, die Amazone, die bereits gestorben ist.

Sie erzählt eine Geschichte. Die Geschichte, die vor langem stattgefunden hat, die Geschichte der Konfrontation zwischen Penthesilea und Achilles auf dem Schlachtfeld von Troya.

Penthesilea und Achilles sind gestorben. Wie liegende Grabfiguren sind sie da, vor unseren Augen, für die Ewigkeit erstarrt in ihrer letzten Bewegung.

Das könnte ein Raum mit alten Wandtapeten sein, deren Motive unbekannt sind. Dort könnte man unter dem verblassten und zerrissenen Papier Reste von kannibalischen Farbspuren, von Plänen, die an den Krieg von Troya und übriggebliebenen Armeen erinnern, entdecken. Oberhalb des Tisches gäbe es auch Reste einer überstehenden Treppe, auf dem die beiden toten Körper ruhen … Eine Grabesdämmerung.

An diesem Ort, wo sich die Körper der Liebenden befinden, erzählt Penthesilea, die von der Katastrophe zurückkehrt, die Geschichte der Amazonen, von deren Ursprüngen, über die letzten Worte ihrer Mutter Otrere, der Königin der Amazonen, in ihrem Todesbett, von ihrer Begegnung mit Achill auf dem Schlachtfeld im blendenden Sonnenlicht und ihrer tiefgreifenden Erschütterung durch die Liebe zu ihm, die sie dort ergreift und die sie von ihren Pflichten als Königin fernhält.

Nun wird deutlich, dass Penthesilea nicht mehr allein ist. Eine andere Frau, Prothoe, die treueste unter ihren Getreuen, ist auch da. Sie hört wie Penthesilea ihren Wunsch bekräftigt, den Kampf weiter zu führen, obwohl die Anzahl der Gefangenen Männer, die für die Fortpflanzung notwendig sind, schon erreicht ist. Diese Worte hatte sie schon einmal gehört, vor langer Zeit …

Dann wird Prothoe noch einmal mit ihrer Königin sprechen. Sie wird sich dem Entschluss ihrer Freundin entgegenstellen, wie sie es vor langem einmal gemacht hat, zweifellos zum ersten Mal in ihrem Leben. Trotzdem wird sie ihr auch diesmal – trotz ihres wahnhaften verliebten Zorns – schließlich folgen.

Nous assistons à une suite de cataclysmes intérieurs, à une onde de choc émotionnelle qui se propage. Le personnage irradiant de Penthésilée (et son miroir Achille) est amené en peu de temps à vivre des états paroxystiques si violents qu’aucun corps humain ne pourrait y résister. » (Michèle Tournois-Jung. La Perversion dans l’écriture de H. von Kleist. Ed. Septentrion, 1996)

Dieses Gefühlschaos ist der Schlüssel zu dem, was folgen wird. Dem Grabesschatten wird „ein Licht geschmolzenen Bleis » folgen, wie bei Greco oder Goya. Aus den Überresten entsteht eine verbrannte und vibrierende Erde, eine schrille und kreischende Zone.

Von Angesicht zu Angesicht finden sich dort Achill und Penthesilea, mitten in der Schlacht, zwei Körper, die sich auf einen tödlichen Liebeskrieg eingelassen haben. Und noch einmal spielen sie unter unseren Augen bis tief in einen Rausch hinein « die Liebesszene im Feuerkreis der Schlacht », der zum « Mord des Sonnenhelden führt, der von dem nächtlichen Volk des Mondes, den Frauen zerfetzt wird.“

Traduction : Bruno et Beatrix Behrend

Avignon 2017

Heimweh…

 

Stanislas Nordey

Photo : Anna David

… mal du pays.

Les amis que je croise, lors de mes expéditions aoûtiennes, me posent invariablement cette question : alors, ce Festival ? Il est temps que je (me) parle de Par les villages de Peter Handke, une longue histoire placée sous le signe de la parole, mise en scène par Stanislas Nordey, entendue en juillet de cet été dans l’irréprochable sobriété de la Cour d’Honneur.

L’histoire commence d’une manière tout à fait banale : « Mon frère m’a écrit une lettre. Il s’agit d’argent. Plus que d’argent : de la maison de nos parents morts et du bout de terre où elle se trouve ».

Une fratrie déchirée par un héritage ! Banal ? En effet. Grégor, le frère aîné, « l’intellectuel » (Laurent Sauvage), revient sur les terres de son enfance, de sa famille. Il y revient, dit Nora (Jeanne Balibar) qui l’accompagne, « sans oreille pour le choeur souterrain du mal du pays ».

Au long du spectacle, ma pensée convoque Le pays lointain de Jean-Luc Lagarce, vu récemment dans la mise en scène de Luc Sabot. Effectuant quelques recherches, je note que Lagarce ne cache pas que son texte est une relecture, une variation du texte de Handke, à tel point que cette phrase : « Ne jouez donc pas les solitaires intempestifs » donnera son nom à la maison d’édition qu’il créera en 1992.

Revenons Par les villages. Dans un décor, remarquable par sa sobriété (baraquements en tôle ondulée couleur turquoise, puis arbres en relief sur des panneaux blancs dans la seconde partie), le texte, intense, intime et universel, se déploie comme il l’aurait fait n’importe où ailleurs. Mais nous sommes dans la Cour ! Et Stanislas Nordey a choisi de ne pas « utiliser » la Cour, parce qu’il la considère comme le « le lieu de l’intime », justement. Alors, pas de théâtre. Dans cette nuit d’été, une suite de longs monologues adressés au public comme sur un forum antique, les comédiens (au nombre de dix) sont face au public, ils interagissent peu entre eux pendant ce long poème. Cela tient autant aux thèmes qui le traversent qu’aux personnages qui se mettent à nu, allant fouiller l’enfance pour y retrouver la source de leurs difficultés d’être d’adultes. Chacun prenant tour à tour la parole, car — enfin — est venu pour lui le moment de se faire entendre.

La Cour d’Honneur se prête à ce texte qui s’apparente à la tragédie grecque, et tout inspiré de la tragédie grecque qu’il soit, c’est un oratorio largement autobiographique. Par les villages, est le dernier élément d’un ensemble : Die Geschichte des Bleistifts. Cette Histoire du crayon est un carnet de Peter Handke, où il note minutieusement et par saisissements instantanés et fragmentaires ce qui se passe avant le déferlement d’une phrase aussi bien que pendant la quête de la forme d’une œuvre. Il y fait part de ses sensations et de ses réflexions qui surgissent dans son quotidien d’écrivain pendant ses lectures et son travail d’écriture. Histoire du crayon accompagne quatre œuvres qui forment un cycle : Lent Retour, La leçon de la Sainte-Victoire, Histoire d’enfant et Par les villages, trois récits et un poème dramatique.

Peter Handke nous dit qu’il faut voir le monde à travers le regard des artistes, que c’est l’unique moyen de pouvoir y vivre, d’avoir le courage d’échapper à tout, notamment à sa famille. Dans la première version, Par les villages se terminait par : « Que l’humanité est abandonnée ! » (tiens, ça me rappelle la dernière phrase de Kleist dans Penthesilea : « Ach ! Wie gebrechlich ist der Mensch, ihr Götter ! » ). Handke, lui-même déprimé par cet ultime message, a remanié la fin de son poème. Et « Nova », dont le monologue de vingt minutes clôt la pièce, intervient tel le choeur antique pour « élargir la pensée et en faire une parole plus universelle ». Elle délivre une sorte de chant d’espoir, redonne l’espérance d’une vie plus forte que la mort, elle parle d’un art et d’une culture qui sauveront l’humanité de sa solitude et de son abandon. Ce long poème final sonne comme un sursaut joyeux dans la morosité ambiante :

« Laissez s’épanouir les couleurs. Suivez ce poème dramatique. Allez éternellement à la rencontre. Passez par les villages ».

 Ornella, Avignon, juillet 2013