Jessica Hausner, die österreichische Filmregisseurin, zeigt in „Amour fou“ ein filmisches Kammerspiel und dies nach eigener Aussage eher nicht dokumentarisch, sondern interpretativ angelegt. Verspricht im ersten Moment der Titel: „Amour fou“ eine leidenschaftliche, lebensbejahende Liebe zwischen zwei Menschen, so geht es zwar leidenschaftlich zu, aber in einem ganz anderen Sinn als erwartet: Der todesfixierte Heinrich Kleist will unter allen Umständen mit seiner Liebespartnerin gemeinsam sterben und zwar in der Form, daß er erst sie, dann sich selbst erschießen will. Und es klappt: Zwar erst im zweiten Anlauf, seine Cousine lehnt im ersten Antrag sein Ansinnen klar und deutlich ab, findet er eine Partnerin (Henriette Vogel), die bereit ist, vor ihm und durch ihn zu sterben. Diese wird als empfindsame, zierliche für den Schriftsteller Kleist schwärmende, körperlich und seelisch leidende Ehefrau eines preußischen Beamten deutlich dargestellt. Vor dem Hintergrund einer gutbügerlichen Familie, in der die klassische Salon-Kultur immer wieder ausgiebig praktiziert wird, wird klar, dass das Seelenleben aller Beteiligten, auf romantische Art abgehoben vom Alltag, bis ins Detail kultiviert gehalten wird. Auch zwischen den Eheleuten Vogel geht es distanziert und kultiviert zu, selbst die Tochter wird ebenso behandelt, alles also auf eine feine gutbürgerlicher Weise, aber eben überhaupt nicht leidenschaftlich. Selbst die immer wieder durch die Filmszenen „flanierenden“ Hunde sind an die Konventionen angepaßte Lebewesen, die sehr gut zum Interieur der Gesellschaftschicht dieser Zeit passen.
Ein beeindruckender Film, eine bedrückende, düstere Darstellung von Menschen in einer bestimmten historischen und sozialen Situation, die sich nicht aus Konventionen lösen können/wollen und somit fast an Marionnetten erinnern. Die Grundstimmung erinnert gut zu seinem « geistigen Vorgänger » : Michael Hanekes: „Das Weiße Band“, ähnlich deprimierend und beklemmend. Deutlich wird dies auch am Krebsleiden der Henriette Vogel, hilflos und ungläubig stehen die Verwandten und Angehörigen davor, die Mediziner wissen auch nicht weiter, ahnen aber zumindest, dass diese Krankheit (zumindest zum Ende des Films) nicht eingebildet ist.
Man kann den sensiblen Kleist verstehen, der als Autor und Mensch von seiner Zeit nicht verstanden wird und der genug hat von dieser Welt. Dennoch unglaublich wie er sein Ego bis zuletzt, bis in den Tod pflegt, indem er eine Frau sucht, die aus Liebe und nur aus Liebe zu ihm in den Tod folgt.
Die Sprache des Films ist Kleist-gemäß, im Gehalt nach sperrig gehalten, passend zu dem sonstigen typischen Kleist-Stil, in der Aussprache wirkt sie jedoch modern.
Fazit: ein anstrengender, aber interessanter Film, der fiktiv den Kleistschen Tod beschreibt, in weiten Teilen aber seine Todespartnerin in den Vordergrund stellt.
Bruno Behrendt